Als Ausländer in Berlin zu leben ist relativ einfach. Vieles hängt natürlich von deinem Pass ab, und es macht einen großen Unterschied, ob du Flüchtling aus Afghanistan oder Student aus Paris bist. Aber das gesellschaftliche Klima der Stadt ist Fremden gegenüber recht aufgeschlossen, viele Menschen sprechen Englisch, das Leben ist im Vergleich zu London oder Toronto günstig, man findet leicht eine Unterkunft und es gibt zahlreiche Flüge von und nach Berlin. Es stimmt, dass viele Ausländer ein gewisses Stammesverhalten zeigen; Russen wohnen bei Russen, Polen bei Polen und so weiter, so dass es ist nicht immer einfach ist, mit jemandem aus einem anderen Stamm ins Gespräch zu kommen.
Reden und Schreiben ist mein Geschäft. Ich bin Freiberufler mit kanadischem Pass und schreibe hauptsächlich für den Calgary Herald und die Vancouver Sun, gelegentlich auch für den Prince George Citizen. Als Zeitungsschreiber ist es meine Aufgabe, die deutsche Psyche zu entschlüsseln, was nicht immer einfach ist. Die Deutschen sind ein lustiger Haufen. Sie haben einen königlichen Palast wiederaufgebaut, ohne die Absicht, jemals einen König darin wohnen zu lassen. Sie verehren ein Gericht namens Currywurst, was eine Wurst ist, die kein Curry enthält – das Curry ist drumherum. Kürzlich haben sie einen neuen Großbuchstaben in das Alphabet eingeführt, der wie ein großes B aussieht, aber keines ist; es ist in Wahrheit eine Kombination aus einem S und einem Z, vermutlich um Ausländern das Leben zu erschweren. Im Gegensatz zum kombinierten kleinen s und z kann keine Tastatur auf der ganzen Welt den Großbuchstaben auf den Bildschirm bringen. Aber Prinzip ist Prinzip. Nicht einmal die Schweizer Nachbarn folgen den Deutschen auf diesem Weg.
Das sind exakt die Geschichten, die die Viehzüchter in Alberta und die Versicherungsmakler in British Columbia gern lesen. Es bestärkt sie in ihrer Ansicht, dass die Europäer im Allgemeinen recht seltsam sind, noch seltsamer als ihr eigener großer Nachbar, der südlich der Grenze lebt.
Östlich von meinem kleinen Büro in Berlin liegt meine Lieblingskaffeebar. Die Ecke Chausseestraße/Invalidenstraße ist eine belebte Durchgangsstraße unweit der ehemaligen Mauer, mit einer U-Bahnstation und vielen Ampeln, die es den Deutschen ermöglichen, auf grünes Licht zu warten, auch wenn kein Auto in Sicht ist. Es nennt sich „Café Zola“, aus Gründen, die mir noch niemand erklären konnte. Die Berliner nennen es einfach Zola, ausgesprochen wie Tsola, nicht mit einem weichen S wie die Franzosen. Weltoffenheit hat seine Grenzen.
Als ich an diesem Morgen das Café Zola betrat, fiel sie mir nicht sofort auf, weil sie vergleichsweise klein ist, während die Kaffeemaschinen vergleichsweise groß sind. Ich bezahlte meine Bestellung und ging um die Theke herum, dorthin, wo man seine Bestellung abholt. Während ich darauf wartete, dass die Maschine ihre Arbeit verrichtete, sagte ich zu ihrem Rücken: „Ich rieche Kaffee!“ Vielleicht nicht das kreativste Eröffnungsangebot, aber es war ja relativ früh am Tag.
„Vielleicht weil es eine Kaffeemaschine ist?“ Ihr Deutsch hatte einen kleinen Berliner Akzent.
„Ach ja, das könnte es sein,“ entgegnete ich. Und das war unsere erste Begegnung. Der Kaffee aber war gut.
Als ich ein paar Tage später wieder in den Laden kam, sagte sie: „Der Kaffeeriecher ist wieder da? Kontrollieren Se‘ uns, oder was?“ Berliner haben diese Tendenz, etwas schroff bis aggressiv zu sein, aber wenn man in der Stadt lebt, gewöhnt man sich mit der Zeit daran. Mit ein wenig Wohlwollen konnte man ihr Lächeln als Widerspruch zur verbalen Botschaft interpretieren, aber ich sagte mir, dass ich vielleicht etwas in ihren Gesichtsausdruck hineinlas, was nicht da war.
„Weißt du was“, sagte sie, nachdem sie mir meine große Tasse überreicht hatte, „es gab einmal den richtigen Beruf der Kaffeeriecher.“ Sie polierte die glänzende Düse, die aus der Maschine herausragte, mit der sie meinen Cappuccino zubereitet hatte. „Im 18. Jahrhundert. Damals war Kaffee in Berlin sehr beliebt, besonders bei den Bessergestellten.“ Und während sie sich mit dem Handtuch und der Schüssel mit den Zuckerpäckchen beschäftigte, sagte sie: „Aber teuer“.
Eine Gruppe spanischer Touristen betrat den Laden. Sie debattierten lautstark, wie sie die deutsche Speisekarte an der Wand interpretieren sollten. Als Journalist muss man wissen, wann man zu schweigen hat und wann man Fragen stellen muss. Jetzt musste meine Neugier warten. Ich blieb einfach an der Bar stehen. Was wahrscheinlich gegen die Regeln des Café Zola verstieß.
Als die Gruppe bedient war, begegnete ihr Blick meinem und sie sagte: „Friedrich II., der Große, König von Preußen. Schon von ihm gehört?“ Ich nickte und antwortete, vielleicht mit einem Anflug von Stolz in der Stimme:
„Ich habe sein Schloss in Potsdam gesehen. Ich habe sogar darüber geschrieben. Über ihn und Voltaire.“
Die Kaffeemaschine machte ein Geräusch, als wollte sie mich warnen, dass ich gerade dabei war, mit meinem profunden historischen Wissen anzugeben.
Tatsächlich hatte der Prince George Citizen in einer Wochenendausgabe einmal einen kleinen Artikel von mir über die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen gebracht, der natürlich die Gespräche zwischen dem Monarchen und dem Dichterphilosophen erwähnte. Insgesamt sechsundfünfzig Zeilen, zwei kanadische Dollar pro Zeile. Diese letzte Information behielt ich jedoch für mich.
„Kaffee war teuer, weil Friedrich der Große die geniale Idee hatte, Kaffee mit einer hohen Zollstrafe zu belegen. Um seine Kriege zu finanzieren.“ Sie sprach, als wüsste sie mehr davon, was nicht genau das war, was man von einer jungen – und ich muss jetzt zugeben: sehr charmanten – Barista erwarten würde. „Die logische Konsequenz war natürlich, dass Menschen ungerösteten Kaffee verzollt nach Berlin schmuggelten.“
Sie wurde von einem jungen Hipster unterbrochen, dem Anschein nach Pole oder Russe, der versuchte, dem neuen Tag stilvoll entgegenzutreten. Er verlangte einen Café Latte Macchiato, ein Machwerk, das ich zutiefst verabscheue und das ich für ein Publikum im ländlichen Alberta oder British Columbia unmöglich angemessen beschreiben könnte.
Als der Typ sich ins Hinterzimmer verzogen hatte, wo die bequemen Stühle und die Bücher stehen, fuhr sie fort:
„Also war der erste Schritt, den Handel mit Kaffee und das Rösten an bestimmten Orten zu monopolisieren.“
Die Maschine machte gurgelte und stieß eine kleine Dampfwolke aus. Nachdem sie sich eine Weile um das Gerät gekümmert hatte, fügte sie hinzu:
„Und da kamen die Kaffeeriecher ins Spiel. Ihre Aufgabe war es, bei den Leuten zu Hause herumzuschnüffeln, ob sie illegal Kaffee in ihrer Küche geröstet hatten. Vermutlich keine so beliebte Rolle.“
Nach landläufiger Meinung stellt der Journalist Fragen, und der Interviewte antwortet. Nun, nicht hier, nicht damals. Ich sah die junge Frau nur an, vergaß meinen Cappuccino und wartete darauf, dass die unerwartete, unaufgeforderte Geschichte weiterging. Ich begann mich zu fragen, wie ich diese Story meinen Lesern im Westen präsentieren könnte. Vielleicht kann man die Kaffeeriecher mit den Hunden der Mounties vergleichen, die am Flughafen von Vancouver nach Drogen schnüffeln. Auf der Beliebtheitsskala war der Vergleich ungefähr richtig.
„Aber populär oder nicht, das war damals kein Problem“, fuhr sie fort. „Friedrichs clevere Idee war es, Menschen einzustellen, die keine andere Perspektive im Leben hatten. Das waren in diesem Fall die Veteranen des Siebenjährigen Krieges. Schon davon gehört?“ Sie sah mich an, aber mein Gesicht muss meine totale Unwissenheit verraten haben. „Woher kommst du? Irgendwo, wo man zur Schule gehen kann?“
Nun, das war eine Provokation, wenn ich je eine gesehen habe, besonders von so einer netten Person. Was jedoch nichts daran änderte, dass ich sehr wenig über den Siebenjährigen Krieg gehört hatte. Um meine Verlegenheit zu lindern, bat ich sie zu warten und bestellte einen kleinen Schokoladenkuchen.
Als ich von der Kasse zurück zur Kaffeebar kam, lächelte sie mich wieder an und sagte:
„Du bist nicht aus Europa, oder? Dabei war der Siebenjährige Krieg im 18. Jahrhundert eine Art erster Weltkrieg. Alle großen Mächte der damaligen Zeit waren beteiligt. Friedrich ging als großer Gewinner und brillanter Stratege daraus hervor. Aber in Wirklichkeit war Preußen am Boden zerstört. Viele Menschen starben, viele andere wurden verletzt. Und die Veteranen hatten keinen Platz zum Leben und nichts zu tun. Da hat der große Friedrich sie als Kaffeeriecher eingesetzt.“
Ich konnte sie kichern sehen, vielleicht aus Bewunderung für das kluge politische Manöver, aber der Lärm der Maschinen übertönte sie fast.
Cappuccino weg, Schokoladenkuchen gegessen, ich hatte im Prinzip keinen Vorwand mehr, um hier zu bleiben und mich von dieser unterhaltsamen Barista und ihrer Geschichte faszinieren zu lassen. Aber als Mitglied der internationalen Presse muss man einfach insistieren und alle Tricks anwenden, um die Wahrheit ans Tageslicht zu befördern. Hier wartete mit Sicherheit eine Story auf die Welt.
„Ich hab‘ diesen Lehrerton drauf, sorry,“ sagte sie. Ihr Bedauern mochte echt sein, aber ich war mir sicher, dass sie die kleine Pause in ihrer Barista-Routine zu genießen begann. Und dass sie in mir ein dankbares Publikum sah. „Weil ich ausgebildete Historikerin bin.“
Oh. Wow.
„Weißt du, wie die Geschichte endete? Die Kaffeeriecher wurden so unbeliebt, noch unbeliebter als die Perücken-Schnüffler, und das wollte schon etwas heißen.“ Sie lächelte wieder, mehr zu sich selbst als zu mir. Ich hatte noch nie von Perücken-Schnüfflern gehört, meines Wissens gibt es sie in Westkanada nicht. Sogar das Wort war seltsam, ich nahm an, dass sie Haarfetischisten meinte. Ein interessantes Konzept.
„Also wurde nach Friedrichs Tod das Kaffeemonopol bald beendet. Und die Kaffeeriecher wurden nach Hause geschickt, oder wo immer sie hinwollten. Der nächste Krieg war nur noch wenige Jahre entfernt. Im Gegensatz zu Historikern sind Soldaten wahrscheinlich nie sehr lange arbeitslos.“
Unsere Unterhaltung wurde mehrmals durch das Zischen der Kaffeemaschinen, das Gerede der anderen Gäste und das Getöse von der Theke mit dem benutzten Geschirr unterbrochen. Aber irgendwie störte uns die Geräuschkulisse nicht. Ich hatte nicht viel gesagt, eigentlich gar nichts, und jetzt war ich ratlos, wie ich die Diskussion auf ein Feld lenken sollte, auf dem ich selbst einen sinnvollen Beitrag leisten konnte.
Also lud ich sie zum Essen ein. Im Lehrbuch des Journalismus wird dies nicht als Standardverfahren beschrieben, ja eigentlich nirgendwo erwähnt. Aber Kreativität gehört zum Leitbild der Medien. Wir haben schließlich die Pflicht, die Öffentlichkeit zu informieren und uns wirklich tief in eine Geschichte einzuarbeiten.
Zu meiner großen Überraschung stimmte sie zu.
Wir trafen uns in einem Restaurant in Charlottenburg, näher bei ihrem Wohnort. Und in Friedrichshain, ganz in der Nähe meines Wohnortes. Friedrichshain war natürlich besser geeignet, um unsere kleine Geschichte fortzusetzen, da es seinen Namen indirekt von Friedrich dem Großen erhielt. Pankow, wo wir uns auch getroffen haben, hat nichts mit der Geschichte der Kaffeeriecher zu tun. Aber das Restaurant dort war schöner als die anderen, und alles, was danach folgte, auch. Die Geschichte selbst habe ich nie veröffentlicht.
Du weißt es vielleicht nicht, aber der Geruch von Kaffee ist nachhaltig, besonders wenn man regelmäßig in der Nähe des Röst- und Brühvorgangs arbeitet. Er lässt sich nicht leicht wegwaschen, selbst wenn du es versuchst. Was sie nicht tat, zumindest nicht systematisch.
Was erklärt, warum ich das Kaffeearoma in ihrem Haar und auf ihrer Haut riechen kann, wenn sie neben mir liegt. Sehr angenehm, muss ich sagen.
Vielleicht werde ich eines Tages vorschlagen, einen neuen Buchstaben des Alphabets zu erfinden, ein vereinigtes K und R, für Kaffeeriechen. Vielleicht wären die Deutschen für einen solchen Vorschlag sogar offen.